28. APR. 2012 – 05. MAI 2012
Krems

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Der düstere, zähe Schleim der Zivilisation klebt uns am Bein wie dem Briefträger der Dackel. Nach mehr als 2000 Jahren Abendland wird uns klar, dass es doch wohl eher ein Nachtland ist. Kein hoffnungsfroher Morgensonnenstrahl mehr, der uns durch den farblosen Sumpfwald unserer Kultur leitet. Je weiter der Prozess der Entfremdung der Menschheit von der Natur sowie untereinander durch die zivilisatorische, kulturelle
und technische Entwicklung voranschreitet, desto stärker wird die Sehnsucht nach dem Paradies, unserem ursprünglichen Zustand der Unschuld als „Edle Wilde“. Egal ob muslimisch, jüdisch oder christlich betrachtet, die Idee der Vertreibung aus dem idealen Garten markiert den Beginn von Kultur und Zivilisation. Und dabei verhält es sich mit unserer Vertreibung aus dem perfekten NudistInnen-Ressort wie mit jedem Rauswurf: Wir wollen partout wieder hinein. Wenn einst noch die süßen Erkenntnisfrüchte der unwiderstehliche Fetisch unserer Begierde waren, so ist es nun die unstillbare Sehnsucht nach dem perfekten Unschuldszustand. Und weil noch niemand dahinter kam, wie die Türsteher des Paradieses zu bestechen wären, versuchen wir Tag für Tag unsere eigenen künstlichen Paradiese zu erzeugen: Mit den Werkzeugen der Kultur und Zivilisation, also der „Schuld“, erbauen wir uns die virtuelle Utopie der „Unschuld“ wieder auf. Seit Beginn an treibt die Idee der Wiederherstellung der Natur durch Kultur sonderbare Blüten, lässt seltsame „Gärten“ als Projektionsflächen unserer Sehnsüchte entstehen.

Angesichts einer fast unheilbar an Homo Sapiens erkrankten und durch dessen Symptome lebensbedrohlich geschwächten Welt stellt das donaufestival 2012, quasi als Warm-Up für den Weltuntergang, die gewagte These in den Raum: Wenn wir einst durch den Akt von Schuld und Kultur aus dem Paradies vertrieben wurden, dann lassen wir uns nun durch „Unschuld“ und „Unkultur“ wieder in den Garten unserer Utopien schicken. Denn wenn unsere Kultur ein Tool entwickelt hat, mit dem sie sich selbst in Frage stellt, ein Tool, das sich der Idee von „Natur“ und „Unschuld“ seelenverwandt annähern kann, das Utopie-Potential, Möglichkeitssinn und Anarchie in sich trägt, dann ist es die Gegen- oder „Un“kultur, die wir gemeinhin Kunst nennen. Kunst als Gegenkraft, die kulturelle Prozesse in Frage stellen und widerrufen kann, die sich auf einer Ebene mit der Natur unterhält, da sie die Diktate kultureller Techniken wie Struktur, Logik oder Hierarchie nicht akzeptiert.

Tomas Zierhofer-Kin
(künstlerischer Leiter)

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